Wachstum, Wachstum, Wachstum, da macht Ferrari nicht mehr mit. Anders als Konkurrenten wie Bentley oder Lamborghini will der Sportwagenhersteller immer weniger Autos verkaufen - und hat damit erstaunlichen Erfolg.
Minus sechs Prozent weltweit, minus 15 Prozent in Deutschland - würden Daimler-Chef Dieter Zetsche oder VW-Boss Martin Winterkorn solche Quartalszahlen verkünden, müssten sie wohl um ihren Job bangen. Wenn Luca di Montezemolo, der Vorsitzende des Verwaltungsrats von Ferrari, diese Bilanz vorlegt, brandet Jubel auf. Wie jüngst, als er für das erste Quartal 2014 einen Produktionsrückgang verkündete. Di Montezemolo pfeift auf hohe Stückzahlen. "Mehr Gewinn mit weniger Autos", lautet sein Rezept, das der Marke langfristig das Überleben sichern soll.
Während die Konkurrenz nach Wachstum giert, hat ausgerechnet der Ferrari-Chef den Fuß vom Gas genommen. "Ein Ferrari muss immer etwas ganz Besonderes sein", sagt di Montezemolo. "Deshalb haben wir unsere laufende Produktion zurückgefahren und weniger Autos gebaut, als der Markt abnehmen könnte." Als er den Plan vor genau einem Jahr verkündete, nannte er 7000 Autos als Obergrenze und hat damit nach Berechnungen der Wirtschaftszeitschrift "Business Week" im vergangenen Jahr auf mindestens 400 Verkäufe verzichtet. So soll es weitergehen. "Wir möchten die Gesamtmenge der produzierten Fahrzeuge auch in diesem Jahr unter der 7000er-Marke halten", sagte di Montezemolo jetzt in Maranello.
Gewinn erzielen will der Ferrari-Boss natürlich trotzdem. "Wir werden unser wirtschaftliches Ergebnis verbessern", sagte er im gleichen Atemzug. Funktionieren soll das mit Service und Extras, die den Umsatz nach oben treiben. Für Autos wie den FF etwa gibt es Dutzende von Ausstattungsoptionen vom DVD-Monitor für die Hinterbänkler über das Gepäckset bis hin zum Kindersitz im Ferrari-Styling.
Sämtliche Ferrari-Modelle werden inzwischen personalisiert. In Deutschland zum Beispiel, wo der Ferrari-Absatz im letzten Jahr um 100 auf 652 Fahrzeuge sank und im ersten Quartal dieses Jahres erneut 30 Autos weniger verkauft wurden, kletterten die Umsätze mit der Personalisierung pro Fahrzeug um acht Prozent.
Permanent ausverkauft
Di Montezemolos Rezept geht offenbar auf. Für seine Strategie bekommt di Montezemolo viel Lob - etwa von Auto-Experte Christian Kleinhans von der Strategieberatung Berylls in München. "Die Italiener haben es in den vergangenen zehn Jahren geschafft, die Sportwagenmarke Ferrari konsequent zu einer echten Luxusmarke weiterzuentwickeln." Das funktioniere nur über eine entsprechend hohe Preispositionierung und höchste Exklusivität, sagt der Strategieberater. "Für die Marke ist es besser, man erhöht die Preise als die Stückzahlen."
Zusätzliche Exklusivität versprächen zudem Sondermodelle wie zuletzt der 458 Speciale im V8-Segment oder der Extrem-Sportwagen LaFerrari. 499 Exemplare wurden von diesem Auto gebaut - sie waren quasi über Nacht ausverkauft, trotz des Preises von einer Million Euro netto. Vom technisch ähnlich gestrickten Porsche 918 hingegen, von dem 918 Autos gefertigt werden sollen, müssen die Zuffenhausener derzeit noch rund ein Drittel der Stückzahl losschlagen.
Ferrari wiederum verlangt von seinen Kunden nicht nur Geld. Kleinhans sagt: "Nur wer guter Kunde ist, bekommt zeitnah auch die neuen Autos. Und wer ein Exemplar einer Sonderserie wie den LaFerrari fahren will, muss ein ganz Auserwählter sein."
Hohe Exklusivität - geringer Wertverlust
Ferrari fährt damit einen radikal anderen Kurs als die Konkurrenz in dieser Preisklasse. Zwar beschwören auch Lamborghini, Bentley oder Rolls-Royce die Exklusivität ihrer Produkte, doch getrieben von ambitionierten Konzernchefs und deren Blick auf den Aktienkurs erliegen sie der Wachstums-Versuchung. Bentley erzielte im vergangenen Jahr einen Absatzrekord von 10.120 Fahrzeugen und plant mittelfristig mit 15.000 Modellen pro Jahr; bei Lamborghini ging soeben das Modell Gallardo in Rente, der mit 14.022 Exemplaren meistverkaufte Typ der Firmengeschichte, nur um nach den Wünschen von Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann vom Nachfolger Huracan möglichst bald übertroffen zu werden. Und Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös will nach dem Rekordjahr 2013 mit 3630 Zulassungen weiter deutlich zulegen.
Den großen Schub erwarten die Ferrari-Konkurrenten vor allem von neuen Modellen. So will Bentley ab 2017 das erste SUV der Luxusliga anbieten - zu einem Preis von rund 200.000 Euro; die Briten kalkulieren mit Stückzahlen zwischen 3000 und 3500 pro Jahr. Auch Lamborghini würde gerne einen Extrem-SUV bauen, noch aber gab es kein grünes Licht vom Konzernvorstand für die Studie Urus. Und selbst Rolls-Royce-Chef Müller-Ötvos räumte jüngst ein, dass das SUV-Segment interessant sein könnte. Angeblich könnte 2018 so ein Modell vorfahren.
Während andere den Markenkern dehnen, dass treuen Anhängern die Tränen kommen, schnürt di Montezemolo Ferrari immer enger zusammen. Das ist einerseits eine von Analysten gelobte Strategie, andererseits aber hat Ferrari auch keine andere Option. Denn Bentley, Lamborghini oder Rolls-Royce können sich für ihre Expansionspläne aus den jeweiligen Konzern-Baukästen bedienen. Würde Ferrari ebenfalls ein SUV planen, wäre das Projekt vermutlich rasch am Ende. Denn im Fiat-Chrysler-Konzern gibt es SUV-Komponenten nur bei der zu Ferrari inkompatiblen US-Marke Jeep - oder beim derzeit einzigen, aktuellen italienischen Geländewagen, dem Fiat Panda.
From: T. GRÜNWEG; Spiegel Online (http://www.spiegel.de/auto/aktuell/ferrari-strategie-di-montezemolo-trimmt-die-marke-auf-exklusivitaet-a-970294.html); 20th of May 2014.